25 Jun

Cannabis ist kein Brokkoli – aber auch kein Grund zum Einsperren!

Mit diesem legendären Vergleich von Cannabis und Brokkoli hat die Bundesdrogenbeauftragte vor einiger Zeit versucht, der zunehmenden Verharmlosung des Cannabiskonsums entgegenzuwirken. Als Landesstelle für Suchtfragen müssen wir sagen: zu Recht. Denn Fakt ist, mit steigenden Konsumzahlen steigen auch die Behandlungszahlen. Gegensteuern tut not. Jedoch ist die Kriminalisierung des Cannabiskonsums nicht die richtige Lösung, nicht für die Konsument:innen und auch nicht für die Gesellschaft.


Anlässlich des Weltdrogentags – jährlich am 26. Juni – will die Landesstelle für Suchtfragen auf die vielschichtige Situation und teilweise hitzige Debatte rund um den Cannabiskonsum eingehen und damit einen Beitrag zur Versachlichung leisten. „Es ist uns wichtig, die Fakten ernst zu nehmen. Und die zeigen uns, dass einerseits in den Suchtberatungsstellen zunehmend Menschen mit erheblichen Problemen durch Cannabiskonsum Hilfe suchen. Andererseits müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die Illegalität von Cannabis nicht zu einer Reduzierung des Konsums führt,“ konstatiert Elke Wallenwein, Vorsitzende der Landesstelle. In Baden-Württemberg sind die Beratungszahlen in der Zeit von 2009 bis 2019 um 6,6 Prozent gestiegen. Auch die Symptomatik ist teilweise deutlich besorgniserregender geworden. Starke Konzentrations- und Gedächtnisprobleme und ein erhöhtes Risiko für psychiatrische Erkrankungen werden dokumentiert. Die Vorsitzende Wallenwein mahnt: „Bei psychischer Instabilität oder gar bei familiärer Suchtvorbelastung – Finger weg von Cannabis! Und darüber hinaus gilt selbstverständlich – Null Toleranz für Cannabiskonsum im Jugendalter.“

Die Verschärfung der Folgeprobleme des Konsums wird dem steigenden THC Gehalt in den hochgezüchteten Cannabiskulturen zugeschrieben. Der illegale Markt ist und bleibt für die Konsument:innen deshalb ein hohes Gesundheitsrisiko. Hinzu kommt das Risiko, auch noch straffällig zu werden, was die sozialen Folgeprobleme auf den Plan ruft. „Ein Vater, dessen Sohn beim Kiffen erwischt wird, was zu erheblichen Familienkonflikten führt, möchte doch, dass seinem Sohn und der Familie geholfen wird und nicht, dass sein Sohn auch noch zum Kriminellen abgestempelt wird“ beschreibt Wallenwein die konkrete Lebenserfahrung. Substanzkontrolle geht nur über einen kontrolliert geregelten Markt.

In der Kriminalstatistik Baden-Württemberg 2020 zeigt sich, dass der Schwerpunkt bei den Besitz- und Erwerbsdelikten weiterhin Cannabis mit 29.157 Fällen ausmacht, den weitaus größten Anteil an Drogendelikten. Dies entspricht einem Anteil von nahezu 75 %. Die Landesstelle für Suchtfragen ist der Meinung, dass diese statistische Schieflage dazu aufrütteln muss, die Entkriminalisierung von Cannabiskonsument:innen endlich resolut anzugehen. Der politische Vorsatz in Baden-Württemberg, die sogenannte „geringe Menge“ beim Besitz von Cannabis heraufzusetzen, ist ein zaghafter Schritt in die richtige Richtung. Das gibt der Rechtsprechung immerhin mehr Spielraum, dem Einzelfall gerechter zu werden.

Das Land Baden-Württemberg fördert erfolgreich das digitale Ausstiegsprogramm „quit the shit“ für Konsumierende. Aber darüber hinaus brauchen wir eine noch spezifischere Cannabisprävention, die besonders die Risikogruppen früh erreicht. Und dabei dürfen ideologische Scheuklappen nicht im Wege stehen.

„Cannabiskonsum macht Probleme. Die Lösungswege sind komplex, aber erfolgversprechend. Daher führt kein Weg an ihnen vorbei“, blickt Wallenwein in die Zukunft.