Stellungnahme der Suchthilfe
24 Apr

Das Cannabisgesetz und sein aktueller zeitlicher Rahmen:

  • Am 01.04.2024 ist das Cannabisgesetz in Kraft getreten. Die Bundesländer müssen in einem nächsten Schritt jeweils eine Zuständigkeitsverordnung (Landesverordnung) erstellen. Diese muss zum 01.07.2024 vorliegen.
  • Frühestens zum 01.07.2024 können Anbauvereinigungen Anträge zur Erlaubniserteilung stellen. Sodann haben die zuständigen Behörden drei Monate nach Eingang aller erforderlichen Unterlagen Zeit, über die Erlaubnis zu entscheiden.
  • Voraussetzung für die Erteilung einer Erlaubnis ist auch jeweils der Nachweis eines/einer geschulten Präventionsbeauftragten und eines schlüssigen Gesundheits- und Jugendschutzkonzeptes.
  • Die Schulungen der Präventionsbeauftragten sollen in Baden-Württemberg auf Wunsch der Verbände durch die lokale Suchthilfe erfolgen. Es ist daher davon auszugehen, dass kurzfristig eine hohe Nachfrage nach Schulungen zwischen April und Juli entstehen wird.

Die Umsetzung des Cannabisgesetzes zur regulierten Abgabe von Cannabis für Genusszwecke an Erwachsene bedeutet nicht nur für die Gesellschaft und zahlreiche Institutionen eine enorme Veränderung, sondern im Besonderen auch für die Einrichtungen der ambulanten und stationären Suchthilfe und deren Mitarbeitenden. Um hierzu eine Haltung zu entwickeln, wird es in den Teams weiterhin einen laufenden Diskurs brauchen und die Reflexion durch Intervision und Supervision.

Was gilt weiterhin – auch nach Inkrafttreten des CanG:
Allen, auch über 21-jährigen, ist es (weiterhin) verboten

  1. Cannabis (in größeren als den erlaubten Mengen) zu besitzen
  2. Cannabis (außerhalb von Anbauvereinigungen (AVs) innerhalb der Höchstmengen und -qualitäten bzw. der zu Hause erlaubten 3 Pflanzen) anzubauen
  3. Cannabis herzustellen
  4. Mit Cannabis Handel zu treiben
  5. Cannabis einzuführen oder auszuführen
  6. Cannabis durchzuführen
  7. Cannabis (außerhalb von AVs) abzugeben oder weiterzugeben
  8. Cannabis Anderen zum unmittelbaren Verbrauch zu überlassen
  9. Cannabis zu verabreichen
  10. Cannabis sonst in den Verkehr zu bringen
  11. Sich Cannabis zu verschaffen
  12. Cannabis (außerhalb von AVs) zu erwerben oder entgegenzunehmen

Eine besondere Herausforderung kann dabei im Zugang zu Jugendlichen liegen. Dazu kann es hilfreich sein, Frühinterventionsangebote frühzeitig im lokalen Netzwerk abzustimmen.

Eine aktuelle Einschätzung des Bundes zu den Anbauvereinigungen:

  • Mit ca. 3000 Anbauvereinigungen wird zum jetzigen Zeitpunkt gerechnet.
  • Es werden ca. 1000 Neugründungen im ersten Jahr prognostiziert.
  • Im zweiten bis fünften Jahr wird mit jeweils 500 neuen Anbauvereinigungen gerechnet.
  • Erlaubt sind max. 500 Mitglieder pro Anbauvereinigungen. Das entspricht eine Potenzial von 1,5 Mio. Cannabiskonsument:innen zum jetzigen Zeitpunkt.

Was spricht für eine Kooperation zwischen Suchthilfeeinrichtungen und Cannabis-Anbauvereinigungen?
Anbauvereinigungen unterscheiden sich von der Alkoholindustrie, der Tabakindustrie und Glückspielanbietern entscheidend dadurch, dass sie nicht gewinnorientiert sein dürfen.
Für die ambulante Suchthilfe, deren Ziel es ist, Risikokonsument:innen frühzeitig zu erreichen, sind die Mitglieder einer Anbauvereinigung als Cannabiskonsument:innen als eine wichtige Zielgruppe zu verstehen. Ein frühzeitig aufgenommener, positiver Kontakt ebnet erfahrungsgemäß den Weg, um im Bedarfsfall bei Problemen mit dem Cannabiskonsum als kompetenter Ansprechpartner wahrgenommen zu werden und Beratung und Behandlung anbieten zu können. Eine Kooperation von professioneller Suchthilfe mit Anbauvereinigungen kann auch Chancen für einen verbesserten Jugend- und Gesundheitsschutz bieten.

Anbauvereinigungen unterliegen einem engen gesetzlichen Rahmen, der durch das CanG definiert ist:

  • Erlaubnispflicht (§11 CanG)
  • Maßnahmen des Gesundheitsschutzes bei der Weitergabe von Cannabis
    (§21 CanG)
  • Beratungspflicht und Information zu Dosierung und Anwendung von Cannabis, zu Risiken des Cannabiskonsums und Hinweise auf lokale Beratungs- und Behandlungsstellen (§21 CanG)
  • Benennung einer/eines Präventionsbeauftragten, Nachweispflicht (§23 CanG)
  • Kinder- und Jugendschutz sowie Suchtprävention, Kooperationsverpflichtung mit Suchtberatungsstellen vor Ort (§23 CanG)

Erste pragmatische Empfehlungen:
Ansprechpersonen für Anbauvereinigungen sollten in erster Linie die Einrichtungsleitungen der Suchthilfeeinrichtungen sein. Diese stimmen ihr Vorgehen und ihre öffentlichen Äußerungen zum CanG mit ihrem Träger und in ihren Einrichtungen ab.
Das Vorgehen gegenüber den lokalen Anbauvereinigungen sollte möglichst mit allen Akteur:innen im kommunalen Suchthilfenetzwerk abgestimmt werden. Den kommunalen Suchtbeauftragten (KSB/BfS) fällt dabei eine Koordinationsfunktion zu. Eine Kontaktaufnahme zu lokalen Anbauvereinigungen sollte in diesem Kontext vereinbart werden.
Kooperationsgespräche der ambulanten Suchthilfe mit ihren Kooperationspartnern Jugendamt, Polizei bzw. Jugendsachbearbeiter:innen, „Insoweit erfahrene Fachkräfte“ hinsichtlich der Umsetzung des CanG werden empfohlen. Bestehende Kooperationsvereinbarungen gilt es anzupassen und weiterzuentwickeln.
Lokale Betriebe und Einrichtungen der Erwachsenenbildung sollten über die Umsetzung des CanG und seine Konsequenzen, sowie die Unterstützungsangebote durch die lokale Suchthilfe informiert werden.

Möglichkeiten der Kooperation mit Anbauvereinigungen:

  • Schulung der/des Präventionsbeauftragten zum Erwerb der Sachkenntnis „Beratungs- und Präventionskenntnisse“
  • Unterstützung bei der Erstellung des Gesundheits- und Jugendschutzkonzept
  • Beratung bei Problemen
  • Teilnahme an Veranstaltungen, z.B. Vorstellung von Angeboten, Information zu Konsumkompetenz

Grenzen der Kooperation:

  • Gesetzliche Vorgaben werden durch die Anbauvereinigungen nicht eingehalten.
  • Der Verantwortungsbereich der Anbauvereinigungen wird überschritten, durch Agieren im öffentlichen Setting (z.B. Präventionsangebote außerhalb der Anbauvereinigung).

Unterstützung durch die Landesstelle für Suchtfragen:

  • Die LSS wird fortlaufend ein FAQ-Katalog auf der Seite lss-bw.de führen.
  • Für die Schulung von Präventionsbeauftragten in den Anbauvereinigungen wird ein Mustercurriculum entwickelt. Dieses wird den Einrichtungen bis Mai 2024 mit einer Empfehlung zum Kostensatz zur Verfügung gestellt werden.