Stellungnahme der Suchthilfe
21 Jun

Stuttgart, 21. Juni 2023

Der Konsum von illegalen Drogen ist in Deutschland nach wie vor stark verbreitet. Die Studienlage dokumentiert, dass 4,8 Prozent der Erwachsenen und 4 Prozent1 der Jugendlichen mindestens einmal im Monat illegale Drogen zu sich nehmen. In konkreten Zahlen sieht das für Baden-Württemberg so aus: Deutlich mehr als 200.000 Erwachsene konsumieren monatlich illegale Drogen und rund 25.000 Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren. Drogenkonsum ist damit auch in Baden-Württemberg keine Randerscheinung. Wer psychisch und körperlich gesund ist und ein stabiles soziales Umfeld hat, muss nicht zwangsläufig in die Abhängigkeit driften. Aber die Menschen, die eine Abhängigkeit entwickeln, werden in unserer Gesellschaft ausgegrenzt – ganz zu schweigen von der Kriminalisierung, die damit einhergeht. Helfen statt ausgrenzen ist der Königsweg – für die Menschen und die Gesellschaft.

In den Suchtberatungsstellen in Baden-Württemberg haben im vergangenen Jahr 21.255 Menschen mit illegalem Drogenkonsum Hilfe gesucht. Die Dunkelziffer derer, die Hilfe gut brauchen könnten, ist wesentlich höher. Rund 10.000 Drogenkonsument:innen werden jährlich substituiert. Die Substitution ist eine Erfolgsgeschichte. Sie ist eine der wichtigsten medizinischen Behandlungsmöglichkeiten, um Drogengebrauchenden einen halbwegs gesunden und würdevollen Alltag zu ermöglichen. Dennoch kommt es wieder zunehmend zu Sterbefällen aufgrund von Überdosierungen oder unkontrolliertem Mischkonsum. Im vergangenen Jahr sind in Baden-Württemberg 179 Menschen an ihrem Drogenkonsum verstorben – 49 mehr als im Jahr davor. „Das ist tragisch und skandalös zugleich, denn seit es das Notfallmedikament Naloxon gibt, könnte Drogentot durch Opioidüberdosierungen verhindert werden“ kommentiert Simon Fleißner diese Entwicklung. Fleißner koordiniert bundesweit das Projekt NALtrain das zum Ziel hat, möglichst viele Drogenkonsumierende mit Naloxon zu versorgen. „Leider hakt es bei der Verbreitung des Medikaments, denn dafür brauchen wir die Ärzt:innen, die Notfallsanitäter:innen, die Suchtberatungsstellen und am besten auch die Polizei, denn nicht überall ist es so optimal wie in der bwlv-Beratungsstelle in Kehl“ erläutert Fleißner. In Kehl sind Drogenberatung und suchtmedizinische Praxis nicht nur unter einem Dach, sondern auch unter einer Leitung. „Wir sind stolz auf unser Konzept“, sagt der Leiter Hannes Krüger, „denn seit nun 10 Jahren erreichen wir jährlich immer mehr Menschen für die Substitution und können durch diese Kontakte auch präventiv Naloxon an die Klient:innen vermitteln.“

Naloxon ist seit 2018 als Nasenspray in Deutschland als verschreibungspflichtiges und erstattungsfähiges Medikament erhältlich. Modellprojekte und Testphasen haben bewiesen, dass mit einer Schulung die Anwendung auch für Laien kein Problem ist. „Deshalb sollten alle Opiat-Konsument:innen Naloxon als Notfallmedikament erhalten und Naloxon sollte in jedem Notfallkoffer von Rettungssanitätern und Beratungsstellen sein – das kann Leben retten“, fordert Christa Niemeier von der Landesstelle für Suchtfragen.

1 DHS Jahrbuch Sucht 2023

Für die Redaktion:

www.naloxontraining.de

https://www.frankfurt-university.de/de/hochschule/fachbereich-4-soziale-arbeit-gesundheit/forschung-am-fb-4/forschungsinstitute/institut-fuer-suchtforschung-isff/forschungsprojekte-isff/naltrain/

https://www.stmgp.bayern.de/presse/bayerns-naloxon-modellprojekt-fuer-opioidabhaengige-war-erfolgreich-holetschek-stellte

https://idw-online.de/de/news772141

https://lss-bw.de/wp-content/uploads/2022/11/2022_09_12-Bericht-Suchthilfestatistik-2021.pdf

https://www.bw-lv.de/beratungsstellen/jugend-und-drogenberatung-kehl/