Stellungnahme der Suchthilfe
10 Feb

Vergessenen Kindern eine Stimme geben

Stuttgart, 10.02.2023

In Baden-Württemberg leben nach Schätzungen der Landesstelle für Suchtfragen rund 150.000 Kinder unter 15 Jahren in Familien, in denen ein Elternteil suchtkrank ist. Die Kinder leiden häufig unter sozialen, psychischen und körperlichen Belastungen. Mehr als die Hälfte der Kinder entwickelt später eine eigene Suchterkrankung oder eine andere psychische Erkrankung. Diese Kinder brauchen Hilfe und Unterstützung so früh wie möglich.
„Vergessenen Kindern eine Stimme geben“ ist die Absicht der bundesweiten Aktionswoche. Auch in Baden-Württemberg werden in zahlreichen Städten und Gemeinden Aktionen durchgeführt, um das öffentliche Bewusstsein für die betroffenen Kinder und Familien zu sensibilisieren.

Zum Alltag von Kindern suchtkranker Eltern gehören Schuld- und Schamgefühle, Verlustängste, Wut und Trauer und manchmal auch psychische und körperliche Gewalt. Das Ausmaß der Belastung ist oft kaum vorstellbar. Fachkräfte berichten davon, dass mancher Jugendliche von Suizidgedanken als Ausweg berichtet.

Die Landesstelle engagiert sich seit vielen Jahren durch Fortbildungen, Vernetzungen und Öffentlichkeitsarbeit, die Situation für Kinder aus suchtbelasteten Familien zu verbessern. Ein weiterer Baustein kam mit dem Modellprojekt SALTO hinzu. In den letzten drei Jahren wurden an fünf Standorten in Baden-Württemberg zusätzlich zu den Kindergruppen erstmals auch Elterngruppen angeboten. In der Fachwelt ist es unstrittig, dass die Eltern trotz bestehender Suchtprobleme in ihren Aufgaben und Möglichkeiten als Eltern aufgeklärt und in ihrer Elternrolle unterstützt werden müssen. In dem Gleichklang von direkter Unterstützung der Kinder und einem begleitenden Elterntraining liegt die Chance, dass den Kindern die Bürde der Verantwortung genommen werden kann und sie sich als Kinder mit all ihren Bedürfnissen entwickeln können.

Durch die Aktionswoche für Kinder suchtkranker Eltern soll auch die Öffentlichkeit wachgerüttelt werden. Betroffene Kinder brauchen vertrauenswürdige Erwachsene die Verantwortung übernehmen, egal ob Erzieherin, Lehrerin, Fußballtrainerin, Hausärztin oder Nachbar*in. Wenn sich ein Suchtproblem der Eltern zeigt, sollten sie um die Nöte der Kinder wissen, sie darauf ansprechen und ihnen weiterhelfen.

Das Modellprojekt wurde wissenschaftlich begleitet. Als wichtige Erkenntnis daraus lässt sich ableiten, dass die Eltern überaus dankbar sind für diese Unterstützung. Oft konnte sich ein neuer Blick auf die Kinder, ihre Entwicklung und Bedürfnisse entwickeln und damit auch Belastungen aus dem Erziehungsalltag entschärft werden. Möglich wurde das Projekt SALTO durch eine Förderung von Lotto Baden-Württemberg und dem Sozialministerium. Offen bleibt die Frage, wie die Arbeit weitergeführt werden kann. Denn Suchtberatungsstellen sind mit ihren Personalkapazitäten am Limit. Nur durch eine zusätzliche Finanzierung könnte dieser Ansatz weiterverfolgt werden.

Für die Redaktion
SALTO Projektstandorte:

  • Diakonische Suchthilfe Mittelbaden, Beratungsstelle Karlsruhe
  • Kreisdiakonieverband Waiblingen/Schorndorf, Beratungsstelle Schorndorf
  • Caritas Suchthilfen Biberach
  • AGJ Freiburg, Suchtberatung Ettlingen
  • BWLV Fachstelle Sucht Rottweil
    (Kontakte können bei der LSS erfragt werden.)

Aktionswoche vom 12. – 18. Februar 2023: https://coa-aktionswoche.de/

Landesstelle für Suchtfragen: https://lss-bw.de/projekte/