Stellungnahme der Suchthilfe
22 Okt

Aufgabe der Landesstelle ist die Koordination und inhaltliche und strukturelle Weiterentwicklung der Suchthilfe und Suchtprävention in Baden-Württemberg. Die Landesstelle nimmt hierzu Erfahrungen und Erkenntnisse der 100 ambulanten und über 20 stationären Suchthilfeeinrichtungen auf und setzt sich für eine verbesserte Versorgung der Betroffenen ein.

Cannabis ist nach Alkohol der zweithäufigste Beratungs- und Behandlungsanlass in den Einrichtungen der Suchthilfe. Insbesondere in den Rehakliniken zeigen sich hier schwere Verläufe massiver Abhängigkeit mit ausgeprägten psychischen, körperlichen und sozialen Folgeschäden. Andererseits berichten ambulante Beratungsstellen, dass ein großer Teil der aufgrund juristischer Auflagen zugewiesener Klient*innen einen risikoarmen, nicht abhängigen und größ-tenteils unschädlichen Konsum betreibt. Sie werden allein wegen der aktuellen Rechtslage kriminalisiert, was soziale und psychische Folgeschäden verursachen kann.

Da der Bezug von Cannabisprodukten nur illegal möglich ist und gleichzeitig der Konsum weit verbreitet ist, hat sich ein umfangreicher Markt, letztlich auch im Bereich der organisierten Kriminalität, entwickelt. Dies bringt die Konsumierenden nahezu zwangsläufig in Berührung mit weiteren illegalen Drogen.

Die Landesstelle für Suchtfragen setzt sich für eine Entkriminalisierung von Cannabis ein. Eine gesetzlich regulierte Bezugsmöglichkeit von Cannabis kann den Schwarzmarkthandel zurückdrängen und die damit verbundenen strafrechtlichen Folgen verhindern. Gesundheitliche Risiken durch das Angebot synthetischer Cannabinoide und Zumischungen anderer Substanzen werden durch eine kontrollierte Abgabe weitgehend verhindert. Unerwünschte persönliche und volkswirtschaftliche Folgeschäden könnten minimiert werden, problematisch Konsumierende könnten diskriminierungsfrei erreicht werden. Die Entkriminalisierung trägt somit auch zur Entstigmatisierung der Betroffenen bei.

Die Landesstelle für Suchtfragen fordert, dass bei allen Überlegungen zur regulierten Abgabe der Jugendschutz konsequent im Vordergrund steht. Junge Menschen sind aufgrund der noch nicht abgeschlossenen neurophysiologischen Entwicklung einem ungleich höheren Risiko für psychische Schäden ausgesetzt als Erwachsene. Dies gilt zwar für jeglichen Konsum psychotroper Substanzen, also auch für Alkohol, bei Cannabis scheint dieses Risiko stärker aus-geprägt zu sein. Daher darf der regulierte, legale Bezug von Cannabisprodukten erst ab einem Alter von 21 Jahren erlaubt sein. Die Landesstelle für Suchtfragen fordert zudem ein striktes Werbeverbot hinsichtlich des Handels mit Cannabisprodukten.

Eindeutige Jugendschutzbestimmungen und eine flächendeckende, deutlich verstärkte und deutlich besser finanzierte Suchtprävention für Kinder und Jugendliche, die sich an den aktuellen Präventionsstandards orientiert und in der Lebenswelt der jungen Menschen verortet ist, müssen diese Regelung begleiten.

Die Landesstelle für Suchtfragen fordert, dass zur Klärung von Fragen der Abgabe, der Kontrolle der Wirkstoffstärke, erlaubte Besitzmengen etc. eine vom Deutschen Bundestag beauftragten Enquetekommission unter Beteiligung von Experten der Versorgungspraxis, aus Verbänden und Forschung eingesetzt wird.

Oktober 2021

Kontakt:
Landesstelle für Suchtfragen der Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg e.V., Stauffenbergstraße 3, 70173 Stuttgart, Tel.: 0711/61967-32, Mail: niemeier@lss-bw.de