Politisches Forum am 13. Mai 2022
Die Aktionswoche Alkohol wird alle 2 Jahre bundesweit durchgeführt und soll in der Bevölkerung, Gesellschaft und Politik sensibilisieren für die hohen Gesundheits- und Suchtrisiken durch Alkoholkonsum. Die Landesstelle für Suchtfragen hat in diesem Jahr den Fokus auf die gesellschaftlichen Bereiche gelegt, in denen es Menschen besonders schwer haben und durch den Alkoholkonsum die Schwierigkeiten zunehmen bis hin zu katastrophalen Lebensbedingungen führen.
Bei der Startveranstaltung am 13. Mail haben Fachkräfte aus der Praxis geschildert, wie der Alkoholkonsum die Menschen prägt und die Arbeit in den Institutionen beschäftigt. Frau Dr. Schöning-Kalender, ehemals Leiterin des Mannheimer Frauenhausvereins, musste davon berichten, dass häusliche Gewalt in über 50% der Fälle einhergeht mit Alkoholkonsum. In der Suchtberatung hat man es mitunter sogar mit Mordfällen oder Morddrohungen zu tun, die sich aus der Alkoholsucht heraus erklären, wie Dietrich Wagner des bwlv Pforzheim berichtete.
Nicht immer ist es so dramatisch, aber auch nicht weniger tragisch. So berichtete beispielsweise Stefan Michel (Caritas Stuttgart), wie eng psychische Erkrankungen verwoben sind mit missbräuchlichem Alkoholkonsum. Und oft lässt sich nicht mehr klären, was „Henne und Ei“ ist. Daraus ergibt sich die Forderung, dass die Suchthilfe deutlich enger und konsequenter mit allen andern Hilfebereichen zusammenarbeiten muss. Die zwingend notwendige Zusammenarbeit zwischen Suchthilfe und Wohnungslosenhilfe wurde von Herrn Rutschmann von der agj-Freiburg beschwört. Nur so können fatale Brüche in der Hilfesystematik, die die Menschen in ihre Probleme zurückwirft, verhindert werden. Die Liga der freien Wohlfahrtspflege bietet eine geeignete Plattform für neue Bündnisse der Kooperation.
Weitere Brüche in der Berufsbiografie der Menschen mit Alkoholproblemen oder -abhängigkeit konnte Alexander Torzewski von der Fachklinik Fischer-Haus berichten. Seit vielen Jahren begleitet er die Wiedereingliederung der Menschen in Arbeit und stellt fest, dass es dafür Unterstützung von allen Seiten braucht. Er macht die Tendenz aus, dass Arbeitsbrüche heute sehr viel früher stattfinden als noch vor 20 Jahren. Auch hier ist der Wert von dauerhafter Kooperation beispielsweise mit Jobcentern und Arbeitgebern unerlässlich.
Und last but not least berichtete Verena Sulfrian von der bwlv Jugend- und Suchtberatung in Reutlingen von dem HaLT Projekt. Hier geht es darum, problematisch und riskant konsumierende Jugendliche zu erreichen mit Aufklärung ohne „drohenden Zeigefinger“, individuelle Risikochecks und Austausch in der Peer Gruppe. Aber genauso wichtig ist die Aufklärung zu Jugendschutz und Verantwortung für Festveranstalter und alle, die Alkohol verkaufen. Jedes Glas Alkohol, das von Jugendlichen getrunken wird, geht durch die Hand von Erwachsenen. Hier muss die Verantwortung deutlich geschärft werden.
Bei so viel menschlichem Leid und gesellschaftlichen Schäden (57 Mrd. Euro jährlich in Deutschland) ist es kaum zu verstehen, dass in der Konsumgesellschaft Alkohol als Volksdroge Nr. 1 so gefeiert wird. Die Landesstelle für Suchtfragen setzt sich für ein anderes Präventionsverständnis in Politik und Gesellschaft ein. Die Präventionsforschung zeigt uns, dass Preiserhöhungen und die Reduzierung des Angebots und der Trinkanlässe, einen wesentlichen Beitrag zur Konsumreduzierung leisten.
PM der LSS: https://lss-bw.de/volksdroge-nr-1-alkohol/